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ABENTEUER SEIT HUNDERTEN VON JAHREN

Johann Georg Groß

1883 - "matt und schwach und kein Geld“

Johann Georg Groß – der Taufbuchauszug nennt ihn Georg Michael, er selbst nannte sich Johann Georg – wurde am 31. August 1821 in Gelbingen als Sohn des Söldners (Kleinbauern) Johann Georg Bernhard Groß und seiner Ehefrau Marie Elisabeth geb. Meerbrey geboren. Die Mutter war eine Tochter des Gelbinger Schulmeisters. Über Johann Georgs  Jugendjahre bis zur Auswanderung nach Amerika ist nichts bekannt; seine Abreise in die „Neue Welt“ erfolgte offenbar im April 1856. Erste Station war für ihn wie für viele andere Auswanderer New York, wo er seinen ebenfalls aus Gelbingen stammenden Vetter Friedrich Meerbrey traf. Erst 1869 ist wieder etwas über ihn bekannt; ein Brief an seinen Bruder Andreas in Gelbingen hat sich erhalten, der eine Momentaufnahme seines mühsamen und ärmlichen Lebens in Cinncinnati bietet (Dokument 1). Der Kontakt in die Heimat scheint nur sehr sporadisch gewesen zu sein; 1867 habe er einmal einen Brief nach Gelbingen geschickt, aber keine Antwort erhalten. Johann Georg lebter in einem „Boarding House“, das eine möglicherweise aus Gelbingen, zumindest aber aus der Haller Region stammende Witwe namens Katharina Bölz betrieb. Katharina Bauer aus Eltershofen, 1860 in die USA ausgewandert, arbeitete in demselben Haus als Magd. Sie hatte ihm auch erzählt, dass seine Mutter gestorben sei – sie hatte dies wohl in einem Brief von daheim erfahren. Johann Georg konnte seinem Bruder wenig erfreuliches über seine Situation berichten. Man habe in den USA zwar „guten Verdienst, vor seine Arbaith wird man gut bezalt“. Allerdings waren seine gesamten finanziellen Mittel durch langwierige Erkrankungen wieder verloren gegangen. Im Boarding House müsse er jede Woche 4 Dollar bezahlen, ob er etwas verdiene oder nicht. 1867 habe er ein dreiviertel Jahr die „Gliederkrankheit“ gehabt, und nun zwei Monate am „kalten Fieber“ gelitten. Beide Krankheitsbezeichnungen lassen sich nicht ohne weiteres modernen Begriffen zuordnen, im zweiten Fall könnte es sich um ein Wechselfieber (Malaria) gehandelt haben, auch wenn dieses für Cinncinnati untypisch wäre. Er müsse „halt diese Krankheiten mit Geduld aushalten, und das hat mir mein Verdienst alles beraubt“.

Das nächste Lebenszeichen Johann Georgs, erneut ein Brief an den Bruder in Gelbingen, liegt erst wieder aus dem November 1882 vor (Dokument 2). In den dazwischen liegenden Jahren hatte er einige weitere Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Seine namentlich nicht genannte Ehefrau, die er 1860 geheiratet haben dürfte, starb nach siebenjähriger, von Krankheit geprägter Ehe; von Kindern ist nichts erwähnt. Als fatal erwies sich, dass Johann Georg Groß sein mittlerweile angespartes, kleines Vermögen von 300 Dollar einer kirchlichen Bank anvertraut hatte, die von Edward Purcell, dem Generaldirektor der katholischen Erzdiözese Cinncinnati und Bruder des Erzbischofs John Baptist Purcell geleitet wurde. Als diese Bank im Oktober 1878 zusammenbrach, verlor er das gesamte Geld. So musste er sich weiter unter ärmlichen Bedingungen als Taglöhner durchschlagen; als ihn ein Brief seines Bruders Anfang November 1882 erreichte, war er gerade beim Bau der pompösen neuen „Music Hall“ von Cinncinnati beschäftigt. Seine Wohnungsgeberin Katharina Bölz hatte dieses Schreiben von einem Besuch in Deutschland mitgebracht. Regelmäßige wiederkehrende Krankheiten hatten ihn zurückgeworfen, und eine kleine, vom Bruder geschickte Geldsumme konnte er gut brauchen. „Lieber Bruder, glaube nicht, das einem in Americka die gebratenen Tauben in den Mund fligen, man muß hart arbeiten, wen man was verdienen will, der Lohn ist sehr gering und viele Leute ohne Arbeit, besonders alte Leute und alles sehr teuer“, so lautete sein Fazit. Es gäbe sogar viele Selbstmorde. Der Einladung des mittlerweile zum zweiten mal zum Witwer gewordenen Bruders, nach Deutschland zurückzukehren und bei ihm zu leben, wäre er gerne nachgekommen, aber ohne Geld ginge es nicht. „[J]etzt habe ich kein Geld mehr, ohne Geld viel [= will] ich nicht nach Deutschland und so muß ich den[n] in Americka bleiben“.  

Da dieser Brief in einer fremden Handschrift geschrieben war, weckte er das Misstrauen von Andreas Groß in Gelbingen. Dieser befürchtete offenbar, dass er einem Betrüger aufsitze, der sich als sein Bruder ausgebe und ihm Geld entlocken wolle. Seine Antwort scheint entsprechend ausgefallen zu sein und enthielt offenbar Forderungen, zu beweisen, dass er der richtige Johann Georg Groß sei. Der Antwortbrief aus Cinncinnati vom 5. Januar 1883 (Dokument 3) verrät Anflüge von Panik, da Johann Georg auf die bescheidenen Geldsummen angewiesen war, die er mit Hilfe des Bruders zu erhalten hoffte. Er hatte den vorherigen Brief einem Freund diktiert, denn „meine Händ sein voller Schrunden und offen. Ich hate harte Arbeit und schlechte Bezalung“. Er sei mehrere Wochen krank gewesen, „jetz fühl ich besser, aber nichts zu thun“. Er habe gehofft, bei Weihnachtsbällen aufwarten zu können, aber diese Bälle seien schlecht ausgefallen, „viele Leute haben keine Beschäftigung, kein Geld“. Um seinen Bruder von seiner Identität zu überzeugen, zählte er zahlreiche Bekannte und Verwandte in der Heimat auf und steuerte auch einige Daten zu seinem Leben wie  das Datum der Auswanderung bei. Nachdem er bewiesen habe, wer er sei, möge Andreas doch auch sein Versprechen halten und ihm so schnell wie möglich die versprochenen 50 Gulden schicken, am besten durch einen Wechselbrief. Wie dringend er auf das Geld angewiesen war, zeigen die Schlussworte seines Briefs. Er habe „schlechte Aussichten für diesen Winter, und ich fiehle [= fühle] matt und schwach und kein Geld“.

Johann Georg Groß wohnte offenbar immer noch in einem „Boarding House“ der Katharina Bölz, das sich nun aber in der 26 Mercer Street befand. Nachdem er eine am 19. März 1883 ausgefertigte Vollmacht zugunsten seines Bruders Andreas vorlegen konnte, war es möglich, sein „Schwestergut“ von 67,50 Mark, das Andreas mit einem Geschenk von 32,50 Mark auf 100 Mark aufgestockt hatte, nach Cinncinnati zu transferieren. Des geschah über das auf solche Geschäfte spezialisierte Bankhaus Carl Laiblin in Heilbronn. Das Geld dürfte Johann Georg im Juni oder Juli 1883 erhalten haben. Die Summe war sicher nicht groß genug, um ihm dauerhaft zu helfen, dürfte aber die momentane Not gelindert haben. Über sein weiteres Leben ist noch nichts bekannt.


Dokument 1: Brief von Johann Georg Groß aus Cincinnati an Andreas Groß in Gelbingen vom 8.11.1869

Cinncinnati den 8ten Nov[ember] 1869

Gelübter Bruder.
Ich will dier zu Wissen thun, daß ich vor 2 Jahr zurück dier einen Brief zugeschickt habe, aber keine Nachricht von dier erhalten habe, ob du den Brief erhalten hast oder nicht, ist mir unwißentich und ich möchte doch auch wieder wißen, wie es bey [euch] geht und steht, ob ihr alle gesund seyd, ich habe erfahren von Cathrina Bauer, daß meine Mutter gestorben ist, und es thut mir leyd, daß deine Frau gestorben ist, und wünsche dier viel Glück zu deiner zweiten Ehe, und wie ich erfahren habe, hat der Schwager Fritz Rupp ein Hauß nebst Land gekauft in Eltershofen, und wünsche, daß sie Glück und Seegen auf ihrem Land haben, und wie ich erfahren habe, lebt unsers Vatters Schwester noch, sie erlebt ein hoes Alter, und ich möchte auch gerne wißen, ob der Onkel Schullehrer auch noch lebt, ich will auch zu Wißen thun, wie es bey mir steht, ich habe vor zwey Jahr zurück ¾ Jahr die Gliederkrankheit gehabt, und hab zu lange den Dockter gebraucht, und hier sind die Dockter zu theuer, wenn sie nur zum Nachbarr gehen, ist der Gang ein Daler, und wie ich diese Krankheit verlohren gehabt habe, und wieder etwas vor mich gebracht habe, so bekomme ich dieses Jahr ihm Septe[mber] das kalte Fieber, und muß wieder 2 Monath Docktern, am heutigen Tag kann ich erst wieder herumgehen, das Fieber komt so daß einen recht schüttelt, daß die Böttladen wackelt, und so eine Stunde lang, und hernach kom[m]t recht Hitz auch eine Stunde und macht so Durst, daß man nicht genug Thrinken anschaffen kan[n], und wird so schwach, daß man fast nicht mehr laufen kan[n], und wird mich zwey Monath nehmen, biß ich wieder arbaithen kann, hier hat man guten Verdienst, vor seine Arbaith wird man gut bezalt,  aber die Krankheit nimt wieder alles hinweg, ich gehe ihn Kost, bey sehr ordentliche Leuthe und thun mir alles, was sie könen, aber der Kranke muß so viel bezalen als der Gesunde, und der Preis ist paar Woche 4 Daler, ob man eßen oder nicht eßen kann, jetzt könt ihr dencken was 3 oder 4 Monath kost[en], wenn man krank ist, der Dockter nebst Medizin kost täglich 1 Daler 50 Cint, und Winters Zeit ist es hartt, Arbaith zu bekommen, wer kein Handwerk kan[n], bey den Bauren hat man 6 oder 7 Monath strenge Arbaith, aber wenn es eingeheimzt ist, dan[n] kan[n] man wieder gehen, lieber Bruder ihr müßt mir es nicht übel nehmen, weil ich jezt in einem schlechten Zustand bin, so möchte ich dich gebetten haben, um eine baldige Nachricht, ob ich könte von unserm elterlichen Vermögen etwas bekom[m]en, oder wie es steht mit dem Onckel, ob er mir auch etwas zugetheilt hat, wie euch, du waißst es am bösten, und du wirst mich als Bruder so bald wie möglich berichten, über diese Sache, ich mache alles recht mit dier, was du verseimst, wen[n] ich etwas bekommen kann, so ist es gut angelegt bey mir, späther wen[n] ich wieder bey Kräften bin, kan[n] ich mir selbst wieder helfen, aber jetzt kön[n]te ich Hülfe brauchen, aber ich bitte um Verzeiung bey euch, ich muß halt diese Krankheiten mit Geduld aushalten, und das hat mir mein Verdienst alles beraubt, schreibe mir auch, ob eine Vollmacht nöthig ist hinauß zu schicken oder nicht, eine Vollmacht kost mich 6 biß 7 Daler, was Amerika anbelangt, ist das, daß der 4 Jähriche Krieg viele Schulden gemacht worden sind, und das hat die Steuer arck erhöt, aber doch ist es vor den Bauersmann als noch bößer [= besser!] als wie draußen, wen[n]  einer ein eigenes Land hat, so lebt er wie Herr, und diß Jahr ist alles reichlich gerathen, biß der Wein nicht, ich wünsche, daß auch mein Schreiben bei guter Gesundheit erhalten werdet, Cathrena Bauer ist Magd im selben Hauß wo ich in Kost gehe, das Hauß gehört der Frau Bölz, sie ist Wittwe seit 9. Juli 1869. Wür baithe grüßen euch herzlich und besondersan die Famühle Andreäs Häfele, weiter weß ich nicht zu schreiben, Johann Georg Groß.
Die Adreß an mich ist nach Cincin[n]ati Ohio Centeral Avenü 1017 North Amerika


Dokument 2: Brief von Johann Georg Groß aus Cincinnati an Andreas Groß in Gelbingen vom 14.11.1882

Cincinnati den 14. Novemb[er] 1882

Lieber Bruder!

Deinen Brief den du mir durch Frau Böltz geschiekt hast, habe ich richtig erhalten, aber leider erst sechs Wochen später. Frau Böltz kam am sechsten Okt[ober] in Cincinnati an und ich erhielt deinen Brief am 4. November. Sie hat in der Zeitung bekant gemacht das sie einen Brief für mich von Deutsch Land habe. Leider habe ich keine Zeit gehabt, die Zeitung zu leßen, den ich habe gerade zu der Zeit in der Musick Halle, die du auf dem Brief Bogen siest, gearbeitet. Habe es blos durch Zuvall erfahren, das ein Brief von Deutschland gekommen ist an mich. Lieber Bruder, du schreibst mir in deinem Briefe, es währe über zwölf Jahre, das ich dir einen Brief geschrieben habe. Ich habe zwei Briefe nach Deutschland an dich geschrieben aber auf diese Brief keine Antwort erhalten. Du schreibst mir du habest mir zehn Gülden geschiekt, die ich richtig erhalten habe, danke dir recht vielmahl dafür.   Konte es nothwendig brauchen, den schon sechs Jahre jedes Jahr hate ich den Sonnenstich bekomen wo ich jedesmahl drei Monat krank gelegen bin und nichts verdinen konte. Da kanst du dencken, das ich es brauchen konnte. Lieber Bruder, glaube nicht, das einem in Americka die gebratenen Tauben in den Mund fligen, man muß hart arbeiten, wen man was verdienen will, der Lohn ist sehr gering und viele Leute ohne Arbeit, besonders alte Leute und alles sehr teuer, so wie in Deutschland. Auch schreibst du mir, das ihr einen schlechten Sommer gehabt haben. Das kleiche haten wir in Americka, es hat ganze Städte und ganze Landschaften überschwärmt und bis auf viele Jahre unfruchtbar gemacht, auch hat der Sturm viel Schaden angerichtet. Häuser und Scheiern mit fort gerißen, die ältesten Leute könen sich nicht erinern, einen solchen Sommer erlebt zu haben. Auch sind sehr viele Selbst Mordt vorgekomen , bald jeden Tag in Cincinnati, da kanst dir dencken, das es nicht sehr schön ist, im fremden Lande unter so vieler ley Menschen Weiße, Schwartze, so genannte Stincker und sonst noch ander Nationen Menschen. Lieber Bruder, du schreibst mir, du werest ganz allein, ich soll zu dir kommen nach Deutschland. Du vielest dich so verlassen ganz allein. Ich hate mir vorgenommen, nach Deutschland  zu gehen, hate mir dreihundert Thaler erspart und auf die Banck gethan zu seiner Hoheit Herrn Pischof Burtzel [Purcell].Die Banck ist aufgebrochen und ich habe mein sauer verdientes Geld verlohren wie noch viele andere Leute. Der Bischof hat die Leute um mehr als sechs Millionen Thaler betrogen und viele Familien unglücklich gemacht fürs ganze Leben. [J]etzt habe ich kein Geld mehr, ohne Geld viel [will] ich nicht nach Deutschland und so muß ich den[n] in Americka bleiben. Lieber Bruder, du schreibst mir, daß ich 36 Gülden zu gut habe, die schon 5 Jahre in der Sparkaße liegen, sey so gut und frage nach, ob das Geld kein Indreßen gebracht habe in den 5 Jahren, wilst du so gut seyn und es besorgen, auch schreibst du mir, du wolest ein Testament machen und mich nicht vergessen, wen[n] du als lieber Bruder an mich denken willst, wird es mich freuen, wegen mir solst du nicht sterben, ich kan ja vor dir sterben, von mir kanst nichts hoffen, den ich habe nichts. Auch muß ich dir bemerken, was Onkel Meerbrey anbelangt, habe ich niemahls gesagt, ich wolle nichts mehr von ihm wießen, dies ist eine große Lüge. Auch erhielt ich einen Brief, der mich sehr beleitig hat, nemlich wo es darin geheißen hat, ich habe in Deutschland nicht gespart, werde es in Americka auch so machen.  Lieber Bruder, du schreibst mir von so vielen Familien und Hochzeiten, wo ich mich kaum noch erinern kan an solche, den du must denken, ich bin jetzt schon 26 Jahr in Americka, da kann sehr viel vorkommen. An eine Familie denke ich oft, das ist die Katharina Häfelin, wird mich sehr freuen, wenn es ihnen recht gut geht sowie ihren Kindern. Sage ihr ich grüße sie vielmahl und ich danke ihr vielmahl für die Grüße, die sie mir geschiekt hat. Und für die Einladung nach Deutschland zu komen, mit kein Geld kan ich nicht komen, denn ich habe keines, ohne Geld kann ich nicht gehen und so muß ich eben in Americka bleiben und meine Tage beschließen. Lieber Bruder, auch muß ich dir bemerken, das ich geheurathet war sieben Jahr. Meine Frau ist vor sechs Jahren gestorben, war immer krank, hat mich viel gekostet, da kan man nichts ersparen. Lieber Bruder, ich glaube, so weit deinen Brief beantwortet zu haben. Sey so gut und schreibe mir bald Antwort. Auch muß ich dich bitten, meine Schwester Elisabeth Rupp  so wie ihre Tochter recht vielmahl zu grüßen,werde mich freuen, wenn es ihnen gut geht. Auch sonst richte mir Grüße aus, an Bekante, die nach mir fragen. Ich ende mein Schreiben in der Hofnung, das es dich gesund antrefen möge nebst vielen herzlichen Grüßen an dich verbleibe ich dein dich liebenter Bruder Johann Georg Grohs.


Dokument 3: Brief von Johann Georg Groß aus Cincinnati an Andreas Groß in Gelbingen vom 5.1.1883

1883
Cincinnäti Ohio
Freitag den 5. Januar

Lieber Bruder Andereas Groß. Jezt will ich dier meine eugene Handschrift schreiben. Jetzt will ich dier zu wissen thun, daß ich den vorigen Brief nicht habe schreiben können, den ich hate den Briff von einem guten Freund schreiben lassen und warum meine Händ sein voller Schrunden und offen. Ich hate harte Arbeit und schlechte Bezalung. Lieber Bruder mit weinetem Hertzen schreibe ich dier, daß es nicht meine Schuld war, den ich hab es so wollen haben einen jeden Freind bey Namen und Grüße zu nen[n]en, aber er sagte mit, das ist eine alte Mahte [?]. Es wäre genug, wenn mann sie alle zusammen mit hertzlichen Grüßen zusammen nent, es ist hart für mich zu denken, von dieser langen Zeit, sind im Jahr 26 April [= sind im April 26 Jahr]. 1856 von drausen fort. Lieber Bruder, deinen Brief hab ich erhalten am 2. Januar 1883, in deinem Brief habe ich gelessen, das du krank bist, aber nicht geferlich, so winsche ich dir einen Armfoll Brusthin [?], der wird dich schon wieder korieren. Und dein Bruder ist auch unwohl, er hate kalt, daß er nicht laut sprechen kann, ich hatte kalt beinah 4 Wochen. Jetz fühl ich wieder besser, aber nichts zu thun. Ich habe gedacht, diese Wainachten für Bällen aufzuwarden,war wenig, den die Bälle sind sehr schlecht ausgefalen, viele Leute haben keine Beschäftigung, kein Geld. Lieber Bruder Andereas Groß ich wünsche dier ein glickseliges neues Jahr, Gesundheit u[nd] Zufriedenheit und ein langes Leben. Auch so meine Schwester Lisabeth Groß und auch ihren Sohn, 2 Töchtern, ich lase sie vielmal grüsen, und die liebe Bawete [Babette] Rupp hat mich nicht vergessen, denn sie will mir auch ein par schöne Zeilen hinein thun in den nechsten Brief, wo ich bekommen solle, so schreibe in kurz und gut und schreibe besser wie vor 12 Jahren, ich denke, du währest beser gesind sein für mich, lieber Bruder, ich möchte auch gern wissen, ob die 3 Schwestern Meerbrey und Fritz Meerbrey noch leben. Fritz Meerbrey habe ich gedrofen in Nuyorg ihm Jahr 1856 und seidher hab ich nichts mehr von ihm gehört. Lieber Bruder jetz will ich dier eine List mit Namen schreiben, da du überzeigt [bist], das dein rechter Bruder lebt. Du werdest wissen, das ich der Jüngste von der Familie bin, ich bin geboren den 31.August 1821. Die liebe Catharina Misses Häffele ihr Vater Andereas Häffele war mein Taufbathe. Ferner möcht ich wissen, wo der Pfleger Waldvogel wohnt. Es ist einer nahe am Garten und Mahlmile und Michael Ritter. Grüse in vielmal. Viele Grüß an Herr Schuldheiß Mack und seine liebe Frau, geborene Katharina Gruber. Nau [?] alte Lieb rostet nicht. Auch viele Grüße an Michael Ritter und seine Frau Dorli Reber. Viele Grüß an Bruder Johann Ritter und seine Frau. Viele Grüße an Georg Steinbrenner und seine Frau. Vielgeliebte meine Freunde. Herzliche Grüse an die liebe gute Catharina Kochendörfer geborene Häffelin und dein Sohn Louis Kochendörfer, und dein Bruder Lui[s] Häffele. Viele Grüse an euch, und ein glückseligs neues Jahr und winsche der liebe Catharina Häffelin einen guden, brafen, reichen, hübschen Mann und deinem Sohn Louis eine gute, liebe, hübsche Frau mit 2 mal hunderttausend Gulden. Glück auf zum Bunde, und der J.G. Groß gibt seinen herzlichen Dank für eure Guttat und ich kan[n] euch nicht vergesen. Lieber Bruder, jetz sei du so gut und thue, was in deinen Kräften steckt, ich habe dir geschrieben, was du verlangt hast und habe deinen [Wunsch] erfilt. Lieber Bruder, wan du so gut wolst sein und schicke mir, was du mir versprochen hast, und schicke mir die 50 Gulten so bald wie möglich. Du kanst dir einen Wechsel geben lassen in der Sparkase, dann geht es nicht verloren, da mus ich’s beko[m]men und will ich mich an Konsul wenden, so kost es mir 5 Dalar. Das heist für eine Vollmacht und dan wird mir wenig bleiben. Lieber Bruder, ich habe schlechte Aussichten für diesen Winter und ich fiehle matt und schwach und kein Geld. Jetzt hab ich noch ein Parr Bäll wo ich etwas verdiene, Ammen. Jetzt will ich mein Schreiben schliesen mit viele Thausend Grüsen.
Meine Adres. Johann Georg Groß.
No. 26. Merser Stritt
bey Katharina Bolz
Cincinnäti Ohio Nord-Amerika

Text und Transkription: Daniel Stihler

 

Quellen:

* StadtA Schwäb. Hall 61/702 (Pflegschaft für Johann Georg Groß)

 

Abbildung:

·    Briefkopf mit neu gebauter „Music Hall“ von Cinncinnati vom einem Brief von Johann Georg Groß an seinen Bruder Andreas in Gelbingen vom 14.11.1882 (in StadtA Schwäb. Hall 61/702)

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