Migrationsdatenbank Schwäbisch Hall - Geschichten
Startseite | Info | Geschichten | Kontakt

IMMIGRATION / EMIGRATION -

ABENTEUER SEIT HUNDERTEN VON JAHREN

Hans Jacob und Margaretha Feuchter

1738 - der "bürgerliche Tod" vor der Abreise nach Südostasien

Hanß Jacob Feuchter, Sohn des Michel Feuchter aus Orlach, heiratet am 23. Oktober 1725 Margaretha, Jerg Stephan Weidenbachs Tochter (deren Elternhaus ist das heutige Anwesen Enselbachweg 3).  Das Paar bleibt wahrscheinlich kinderlos, denn im Tauf- und Totenbuch sind keine Hinweise auf Geburten oder Sterbefälle von Kindern vorhanden.

 

Die bis dahin unspektakuläre Existenz des Ehepaares mündet 1738 in ein außergewöhnliches Vorhaben. Es beginnt damit, dass am 10. April 1738  „Hanß Jacob Feuchter, Hällischer Unterthan zu Enßlingen“  sein „bishero innegehabt und ruhig besessenes Güthlein“ mitsamt des „darauf hafftenden Leibgeding“ für seine Schwiegermutter Barbara Weidenbach verkauft. Bald darauf wendet er sich an den Rat der Reichsstadt Schwäbisch Hall, um einen Nachlass bei der "Nachsteuer" zu erwirken, bei der es sich um eine beim Wegzug zu entrichtende Vermögenssteuer handelt. Mit seiner Bitte um „Erlaß der Nachsteuer a 43 Gulden 17 Schilling 6 Heller von seinem Vermögen“ stößt Jacob Feuchter beim Haller Rat allerdings auf wenig Gegenliebe.   Dem Jacob Feuchter, „welcher gewillt ist in die Neue Welt mit seinem Weib zu ziehen“  soll „der gesuchte Nachlaß an der Nachsteuer abgeschlagen“ werden. Tatsächlich ist in der Jahresrechnung des Amtes Kocheneck 1737/38 festgehalten, dass Feuchter, „gewesener Hällischer Unterthan zu Enßlingen, welcher sein Güthlein allda verkauffet und in die Insul Pennsilvanien gezogen“, nach Abzug der Schulden noch ein Barvermögen von 435 Gulden, 25 Schilling und 1½ Heller „hinausgebracht" und die vom Rat geforderte Nachsteuer bezahlt habe.  Die hier verwendeten Begriffe der „Neuen Welt“ oder „Pensilvanien“ scheinen auf Amerika zu deuten; tatsächlich sind in dieser Zeit mehrere Auswanderer aus Schwäbisch Hall selbst oder dem Herrschaftsgebiet der Reichsstadt bekannt, die in die britische Kolonie Pennsylvania in Nordamerika gereist sind.

 

In eine komplett andere Richtung weist dann aber der Enslinger Pfarrer. Er notiert im Totenbuch seiner Gemeinde, dass Feuchter und seine Frau am 2. Mai 1738 "von hie weg ... nach OstIndien gezogen [sind], sich daselbst häußlich nieder zu lassen". Da dies als ein "civiliter mortuus" (bürgerlicher Tod) angesehen werde, habe der Pfarrer den Eintrag im Kirchenbuch gemacht und "zu seinem Außgang auß der alten Welt ihme Glück und Seegen anwünschen wollen". Mit dem bürgerlichen Tod meinte der Geistliche in diesem Fall, dass das Ehepaar Feuchter aufgrund seines dauerhaften Wegzugs in eine derart entlegene Weltgegend de facto als gestorben zu gelten habe. Leider ist zu den Hintergründen dieses Vorgangs kaum etwas bekannt, und auch das Ziel ist nicht genauer fassbar. Sollte es sich tatsächlich um Ostindien und nicht - wie von den reichsstädischen Behörden notiert - Pennsylvania gehandelt haben, dann könnten mit dieser alten geografischen Bezeichnung nicht nur der indische Subkontinent selbst, sondern auch die indochinesische Halbinsel oder die Inseln des Malaiischen Archipels gemeint sein. Am plausibelsten ist es, das Ziel der Auswanderung entweder doch in Nordamerika oder in den Kolonien der niederländischen Vereinigten Ostindiengesellschaft (der "VOC") im Bereich des heutigen Indonesien zu vermuten. Tatsächlich gab es im 18. Jahrhundert mehrere Menschen aus der Haller Region, die zumindest zweitweilig dort gelebt haben, so etwa ein Sulzdorfer, der 1741 als Soldat in Batavia, dem heutigen Jakarta, verstorben ist. Zwei Haller Bürgersöhne hielten sich im späteren 18. Jahrhundert ebenfalls in Batavia auf. Wo auch sie hinwollten umd was die Hintergründe des Vorhabens waren, erreicht hat das  Ehepaar sein Ziel nicht. Eine später beigefügten Notiz vemerkt: "Dieße beede Eheleüthe sind auf der Reiße verstorben."

 

Text: Liselotte Kratochvil, Daniel Stihler

 

Quellen:
* Pfarrarchiv Enslingen, Ehebuch, Eintr. v. 25.10.1725; Totenbuch, Eintr. v. 2.5.1738
* StadtA Schwäb.Hall  4/710 (Kaufvertrag); 4/347 (Ratsprotokoll v. 14. April 1738); 4/4369 (Jahresrechnung des Amtes Kocheneck 1737/38), S. 49

 

Abbildung: Das Haus Enselbachweg 3 in Enslingen. Das Gebäude stammt zumindest in Teilen noch aus dem früheren 18. Jahrhunder und wurde demzufolge von  Hans Jacob Feuchter und seiner Frau vor ihrer Abreise bewohnt (Foto: Kratochvil, Enslingen).

Rosalie und Lina Straub

um 1875 - Eltern in Amerika, Kinder in Deutschland

Bis in das frühe 20.Jahrhundert hinein war es durchaus üblich, Kinder bei nahen Verwandten aufwachsen zu lassen. Ungewöhnlich war es aber, wenn dies über den Atlantik hinweg geschah. mehr lesen

Margaretha und Friedrich Carl Deininger

1872 - Auswanderung wegen einer verbotenen Liebschaft

Der Reise nach Amerika ermöglichte es einem verheirateten Mann vom Rötenhof bei Bibersfeld, ein gemeinsames Leben mit einer Verwandten zu beginnen. mehr lesen

Professor Dr. Friedrich Reichert

1904 - ein Haller wird "Vater des argentinischen Alpinismus"

Während er in seiner Haller Heimatstadt weitgehend vergessen ist, erinnert man sich in Argentinien an Prof. Dr. Friedrich Reichert als Pionier des Bergsteigens und Erforscher Patagoniens. mehr lesen

noch mehr Geschichten - Ereignisse - Schicksale lesen sie hier