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IMMIGRATION / EMIGRATION -

ABENTEUER SEIT HUNDERTEN VON JAHREN

Friedrich Peter Hartmann und Susanne Hartmann geb. Kübler

1849 – Tod durch Cholera

Friedrich Peter Hartmann war ein 1817 geborener Sohn des Großaltdorfer "Halbbauern" (Inhaber eines halben Hofes) Georg Friedrich Hartmann und der Eva Rosine geb. Moll. Er erlernte das Schneiderhandwerk und wurde bis 1841 Meister. In diesem Jahr bemühte er sich um die Erteilung des Schwäbisch Haller Bürgerrechts, da er sich hier niederlassen und Susanne Magdalene Kübler heiraten wollte, die 1819 geborene Tochter des Salinensteinhauers Georg Karl Peter Kübler. Dies gelang jedoch nur unter Überwindung erheblicher Widerstände. Dem Haller Rat schien Hartmanns Vermögen zu gering, außerdem leiste er noch Militärdienst. Deshalb lehnte er seine Anträge zweimal ab. Hartmann konnte die Aufnahme nur durch "Rekurs" (Berufung) beim Oberamt erreichen, das den Haller Rat anwies, Hartmann das Bürgerrecht zu erteilen. Friedrich Peter heiratete seine Braut im folgenden Jahr. Das Paar bekam zwischen 1844 und 1847 vier Kinder, von denen aber nur der 1845 geborene Sohn  Wilhelm Jakob Andreas die gefährliche Säuglingszeit überlebte.

 

Die wirtschaftliche Situation des Paares war wohl bescheiden; darauf deutet der  Kauf und rasche Weiterverkauf von Anteilen an den heutigen Häusern Am Säumarkt 8 (1843), Sulengasse 10 (1844) und schließlich Neue Straße 4 (1846). Dass Hartmann seinen nur ein Sechstel umfassenden Anteil an letzterem Haus aufgrund finanzieller Nöte veräußern musste, deutet der Vertrag vom 27. März 1848 an. Zwar erlöste er 1.011 Gulden, doch diese sollten in erster Linie verwendet werden, um die auf der Liegenschaft versicherten Schulden zu begleichen. Die restliche Kaufsumme durfte nur mit gerichtlicher Genehmigung ausgezahlt werden. Der Schneidermeister dürfte mehr oder weniger bankrott gewesen sein.

 

Die Auswanderung in die USA, über deren Verlauf noch nicht viel bekannt ist, war ein nicht untypischer Ausweg aus diesen Nöten. Das dazu notwendige Kapital scheint von Hartmanns Vater als Vorabzahlung auf das zu erwartende Erbe geflossen zu sein. Die Familie ließ sich in Poughkeepsie im US-Bundesstaat New York nieder, damals ein kleines Städtchen am Hudson River. Hier starb Friedrich Peter Hartmann bereits im folgenden Jahr, am 23. August 1849, an der Cholera. Die Infektionswelle, der Hartmann zum Opfer fiel, erreichte Ende 1848 vermutlich über irische Auswandererschiffe New York und New Orleans und verbreitete sich von dort über die USA. Allein in St. Louis starben etwa 4.500 Menschen. Friedrich Peters Frau Susanne hat seinen Tod in einem eindringlichen und bewegenden Brief an ihre Schwiegereltern genau geschildert. Sie stand nun, wie sie schrieb, mit ihrem kleinen Jungen allein da.

Einem (erst 2020 in Privatbesitz entdeckten) Brief von 1854 zufolge hatte die Witwe mittlerweile den deutschstämmigen und vielleicht auch aus der Heimatregion stammenden Schuhmacher Friedrich Hagedorn geheiratet. Zwei vor 1854 geborene Mädchen aus dieser Ehe waren kurz nach der Geburt wieder verstorben. Ihr Sohn Wilhelm ging mittlerweile in die Schule und war ein "geschickter Schühler". Susanne trug offenbar mit Nähen - sie erwähnt "Mannsröcke" - zum Familieneinkommen bei. Ihr zweiter Mann, ein Schuster, hatte ein gutes Einkommen von 6 Dollar pro Woche. Erst in diesem Jahr, berichtet sie, habe sie wieder ihren Hausrat zusammen bekommen, wie sie ihn 1848 in Deutschland zurückgelassen habe. Dass eine erneute Cholera-Epidemie 1853 große Ängste bei ihr und ihrer Familie auslöste, überrascht angesichts des Schicksals ihres ersten Manns nicht. Die behördlichen und privaten Schutzmaßnahmen offenbaren die Hilflosigkeit der damaligen Menschen angesichts dieser - wie man heute weiß - durch Bakterien ausgelösten Infektionskrankheit, die hauptsächllich über verunreinigte Trinkwasser verbreitet wurden. Ärzte und Polizeidiener hatten den Ort systematisch abgegangen und "höchste Reinlichkeit" befohlen und außerdem Kalkstaub (Löschkalk, Kalziumhydroxid), dessen ätzende und desinfizierende Wirkung bereits bekannt war. Susanne Hagedorn und ihre Familie behalfen sich mit Pfefferminztropfen im Trinkwasser, eine durchaus sinnvolle Vorkehrung, da Pfefferminzöl - wie man heute weiß - antimikrobiell und antiviral wirkt.

Ein weiterer Brief Susanne Hagedorns hat sich dann aus dem Jahr 1861 erhalten. Mittlerweile hatte sie zwei noch kleine Kinder bekommen. Der amerikanische Bürgerkrieg hatte begonnen und ihr zweiter Mann Friedrich Hagedorn war zusammen mit einigen anderen Männern aus Poughkeepsie durch das Los ausgewählt worden, Kriegsdienst zu leisten. Die aus heutiger Sicht kaum glaubliche Methode war in der Anfangsphase des Kriegs durchaus üblich. Eindrücklich schildert Susanne Hagedorn die Desillusionierung der Unionssoldaten, die statt eines schnellen Siegs schwere militärische Rückschläge und die Strapazen des Lebens im Feld erlebten. Als früh eingezogener Rekrut könnte Hagedorn bereits bei der verlustreichen Niederlage der Unionsarmee von Bull Run am 21. Juli 1861 anwesend gewesen sein. Deutlich wird auch auf die gute Besoldung der Soldaten und die damit verbundene Fürsorge für Ehefrauen und Kinder verwiesen, die dem Kriegsdienst einen durchaus attraktiven Aspekt gab. Den Stiefsohn Wilhelm Hartmann, der gerade eine Lehre als Zigarettenmacher begonnen hatte, warnte Friedrich Hagedorn allerdings eindringlich davor, ebenfalls Soldat zu werden. Sie – die Soldaten aus Poughkeepsie – hätten für ihre Neugier auf den Krieg bereits schwer büßen müssen. Quellen zum weiteren Leben von Susanne Hagedorn, ihrer Familie und ihrem Sohn aus erster Ehe sind bislang nicht bekannt, dürften sich aber in durch weitere Recherchen in US-amerikanischen Archiven finden lassen. Ob der im Zensus von 1880 in Poughkeepsie nachgewiesene William J. Hartman mit Wilhelm identisch ist, war bislang nicht eindeutig zu belegen.
In ihrer Heimat wird Susanne Katharine 1875 noch einmal erwähnt. Das Haalamt beschließt am 11. Juni 1875 die Löschung zahlreicher „insbesondere in Amerika“ abwesender Personen aus den Siedensbüchern. Betroffen ist auch Susanne Magdalene. Damit entfallen noch bestehende Rechte an Siedensrenten, die sie vermutlich von ihren Eltern ererbt hat.

 

Die Briefe Susanne Hartmanns bzw. Hagedorns von 1850 und 1861 haben sich in der Eventualteilung ihrer am 25. Juni 1862 in Sulzdorf verstorbenen Schwiegermutter Eva Rosine Hartmann geb. Moll erhalten, der sie offenbar als Nachweise für den Verbleib des Sohns und seiner Familie beigefügt wurden. Ein weiterer Brief von 1854 kam 2020 aus Privatbesitz hinzu. Neben ihres hohen inhaltlichen Quellenwerts sind sie ein interessantes Beispiel dafür, dass auch Menschen mit sichtlich einfacher Schulbildung – man beachte die sehr eigenwillige Rechtschreibung Susanne Hartmanns – offenbar durchaus regelmäßige Korrespondenzen aufrecht erhielten, wie die Verweise auf andere, verloren gegangene Briefe zeigen. Auch die flüssige und gut lesbare Schrift verweist auf einen regelmäßigen Umgang mit der Feder.

 

Dokument 1: Brief von Susanne Hartmann geb. Kübler aus Poughkeepsie (New York)  an die Schwiegereltern Johann Georg und Eva Rosine Hartmann in Großaltdorf, 2. April 1850

Poughkeepsie Aprill 2  1850

Theure Wehrte Schwücher-Eltern.

Ich muß zum Zweitenmahl die Fetter ergreifen. Ich weis nicht waß für ein Hinderniß vorgegangen ist daß ich so lange keine Antword von Eich bekomen kann. Ich hab an Eich geschriben anfangs Oktober u[nd] schrieb alles so pünktlich u[nd] deitlich daß es mir so leit thut wann Ihr meinen Prif biß daher als den 1 ten Abrill noch gar nicht bekommen habt. Den Brif von meiner Mutter hab ich erhalten anfangs März, u[nd] waß ich darauß ersehe, so ists Eüch bewust daß mein lieber Mann gestorben ist u[nd] ich mit meinem Kinde Wilhelm jezt einsam stehe. Meinen guten Mann als ehr seines lebens frohsinn am högsten rühmte. Überfühl in die Tötliche Krankheit Kohlrah [= Cholera] ehr wahr so gesund daß Essen schmegte ihm ganz vorzüchlich im heischten [= heißesten] Sommer er sachte immer dise Leite die einen Tauch [?] in sich haben die dürfen sich rüsten der Tod ging aber umher fragte nicht lang ob einer gesund oder ungesund wäre sondern er nahm sein Beite [= Beute] wo ehr wollte. Ich kann sagen die in Gott vergnüchten Stunden die ich mit meinem Mann hatte in meinem ganzen Hausen die warens in Amerika wir haben vergessen was dahinten wahr u[nd] jachten nach dem vorgestecken Ziehl gelibte Schwiger Eltern  der Verlust ist schmerzlich vir eich wo wir unsere Ehe am einigsten genohsen wurde ehr mir entrissen die Krohne meines Hauptes ist gefallen u[nd] meine Sonne ist untergegangen am hellen Mittag ich [bin] zwar jezt alein  aber doch nicht gans alein Gott der Herr Zäbaot ist mit mir. Auch will ich Eich zu wissen thun die begebenheit währent seines Grangenlagers   22 August morgens ¼ auf Siben Uhr stand ehr Gesund auf von seinem Bette jedoch sehr bedenklich über seinen deitlichen Traum den Er vorher hatte Er erzehlte mir es sey ein schwäres leiten [= Leiden] über ihn verhenkt gewehsen u[nd] wo alles verüber gewehsen so hab ehr alles so schön um sich herum gesehen daß ehr mirs gahr nicht beschreiben könne als währe Er im  Himmel gewehsen u[nd] kaum hatte ehr mir disen Traum aus erzelt so wars ½ 7 Uhr u[nd] ehr muhste sich gleich wider zu bette lechen  hatt noch gefrühstückt u[nd] dann kamen schon die Grämfe [= Krämpfe] u[nd] ehr schrie laut vor vor schmerzen ehr sagte zihe mir die Hohsen wider aus ich muß doch sterben ehr umfaste mich mit seinen Armen u[nd] hilt mich lange fest zum Abschid nach dem Helmeli [= dem kleinen Wilhelm] fragte ehr aber nicht mehr ob er gleich seinen Verstand behilt aus Gnaden  so daß ehr mit Gott  um gehen konnte bis an sein Ende die Worte die ehr vom Heiland zu mir gesprochen hat sind mir Teiher [= teuer] u[nd] wichtich u[nd] sie sind mir tif ins Herz gegraben u[nd] ich behalte sie als högstes Andenken von ihm ehr hat Eich geschriben im Himmel sei daß widersehen freüet Eich mit mir auf daß Widersehen sein Leib ruht u[nd] seine Seele ist bei Gott waß ehr 24 Stunden lang erfleht hat meinen Helmeli erinnere ich noch sehr oft an seinen Vatter u[nd] sage als wo ist er den da spricht das gute Kind ganß getrost im Himmel bei den Engeln. Eiern Ersten brif hab ich erhalten anfangs September.  Am 23 August morgens halb 7 Uhr verlangte ehr noch Wasser von mir ich lis ihm mit dem löfell noch hineinlaufen u[nd] dann lechte ehr sich auf seine rechte seite hinum lecht seine rechte Hand unter seine baken u[nd] verschlif langsam u[nd] sanft ich glaube daß ehr mich noch gefühlt hat wo ich wärent seinem einschlafen seinen Hals noch küste. Schreibt mir bald ob ihr alle gesund seid was mich anbelangt bin ich Gott seys Dank u[nd] mein Kind auch gesund. Mein Mann wurde wärend seines Grankenlachers des Taches 6 mahl besucht vom Doktor u[nd] wurde besucht von bekannten von Schwestern u[nd] brüdern  Sie knieten hin betteten für seine Seele zu Gott wie es bey den Sterbenten gebräuchlich ist u[nd] wo ehr gefragt wurde ob er Jesum habe so gab ehr jedes mahl mit der Hand auf die Brust lechent zur Antwort ein lautes ja. Er wurde den 23 August 49 begraben man konnte in der grosen hitze die Toten nicht lang lichen lassen wegen der ansteketen [= ansteckenden] Pest. Einen Gruß von meinem Wilhelm an seinen Doten [= Paten] Johann u[nd] ehr kann schon der Muter helfen Nehen
Die Atrese durft ihr machen an mich Wohnhaft beim Butscher (auf deitsch Mezger)  Mr Jacob Petillon  Bougiipsi [= Poughkeepsie]

Es grüst Eich alle zusahmen Herzlich aber für dis mahl Schmerzlich Susanne Hartmann. Auch einen Kruß an die Fuhrmann Hüfnerin u[nd] ich hette Sie in einem weinen Andenken. (?)
Ich bitte Eich um Stille Theilname u[nd] bitte um eine baldiche Nachricht.

Die Artres schreibt wie folgt
Mr Jacob Petillon
at Poughkeepsie
St[ate] of New York
North Amerika

abzugeben an
Mi Hartman

[Adresse des Briefs:]
George Hartman
in Grossbühler
Aldorf
Oberamthall
K. Würdenberg
Europa

past Havre
et Paris

(Großaldorf an der Bühler)

 

Dokument 2: Fragment eines Briefs von Susanne Hagedorn verwitwete Hartmann geb. Kübler aus Poughkeepsie (New York)  an die Schwiegereltern Johann Georg und Eva Rosine Hartmann in Großaltdorf, 19. Dezember 1854

Paukepsie den 19. Detzember 1854

Libe Schwiger Eltern, Schwägerin und Schwäger.

Euren Wehrthen Prif welchen ich erhalten habe im Monat August 1852. Aus welchem ich leider ehrsehen habe daß Ihr von den Schücksahlen der Krankheit überfallen worden seid. Welches ich sehr bedaure, da Ihr aber wider zur Geneßung gekommen seyd, so Wünschen wir, daß Eüch mein Brif noch alle am Leben antreffen und im besten Wohlsein ihr eüch befinden möchtet. Waß mich und meinen Mann und unsern liben Wilhelm anbetrift, sind wir Gott seis Dank recht Gesund und haben unser Gutes Auskomen, mein Mann verdint die Woche segs 6 Thaler,  und ich bin imer noch auf der Hut mit meinen Mansröcken [= Männerkleider] zu machen,  dieweil ich dise Arbeit einmal gut verfertichen kann und kein klein Kind  hält mich davon ab, den der Wilhelm ist imer noch daß einziche Kind. 2 Mädchen habe [ich] von disem Gebohren, daß erste wurde nur  4 Wochen Ald, und daß zwaite wurde 11 Wochen Ald und so bleiben wir immer eine Gleine Familie und leben Gott lob Vergnicht [= vergnügt] zusamen. Der Wilhelm geht fleisich in die Schuhle und ist ein Geschickter Schühler. Ich habe schon manches Mahl Gewünscht, wen nur Ihr auch das Gespräch oft hören köntet daß ehr oft mit mir führt, von seinen Verwanden in Deitschland, wie ehr sein Sehlicher Vater und besonders den Tiolegt seines Großvaters Hartmans  an sich hat, kein Enkeli kan ihm besser gleichsehen als wie  der Wilhelm. Neies weis ich euch nichts zu Schreiben von  Amerika und besonders von unserm Boujepsii [= Poughkeepsie] als daß es den J. Tachser hinein Gefligt [gemeint wohl: herein geführt hat]. Last mich auch wissen, waß für Leüte von Bekanten nach uns nach Amerika Gereist sind. Den ganzen lezten Somer nicht Gerechent [= geregnet] hat und durch dise anhaltende Trocknung die Kohlra [= Cholera] so eingerissen hat, jedoch aber nicht so stark als vor 5 Jahren, es wurde disen letzten Sommer Grose Vorsicht angewand. Dockter und Polizeidiner musten alle Heiser und Winkel durchstreichen, um die Höchste Reinlichkeit zu Befehlen und mit Kalchstaub musten alle Haiser gestregt [= gestreut] werden, wir thaten uns Pfeffermins Tropfen ins Haus und Tranken keinen Tropfen Wasser ohne die Tropfen darein gemigst, so standen wir Angst  aus jeden Tag um unser Leben. Wenn ich nie Wünsche,  in Deitschland zu sein, so wünsche ich es aber in einer solchen Zeit, wo man in Lebensgefahr ist mit Kohlrah, den es eine  Erschröckliche Krankheit ist und den Menschen so schnell mit ihren Krempfen lifert. Die Ernte ist dieses Jahr nicht reichlich ausgefallen, es ist beinahe alles verbrant, die Lebensmittel stehen in einem Zimlich hohen Breis. Wir Hoffen, daß nächste Jahr möchte mit der Hülfe Gottes Besser werden.  Was meine sonstiche Lage anbedrift, ist es so, daß wir biß daher immer noch zu thun gehabt haben an unserm Haushalt anzuschaffen, den in den Ersten Jahren meines hirseins konnte ich nicht vihl anschaffen, nun habe ich wider meinen Hausraht beieinander, so voll als ich in Deitschland verlassen habe. Jetzt könen wir erst anfangen, etwaß Geld in den Zinß zu thun [= zu sparen]. Wenn Hüfners Catharina oder Susanna Muth hat nach Amerika, sollen sie nur kommen, ich will sie aufs erste aufnehmen, wir [....]

 

Dokument 3: Brief von Susanne Hagedorn verw. Hartmann geb. Kübler aus Poughkeepsie (New York)  an die Schwiegereltern Johann Georg und Eva Rosine Hartmann in Großaltdorf, 11. Dezember 1861

Poughkeepsie  den 11. Dezember [18]61

Liber Gevater und Schwägerin, mein Wunsch ist daß mein Brief Eich bey so gutem Wohlsein andreffen möchte als es mich verläßt. Liber Schwager ich schrieb dir voriches Jahr um dise Zeit  bekam aber biß jezt noch kein Antwort  es macht mir kein geringe Sorgen, der Wilhelm macht mir Vorwürfe ehr sacht zu mür hab ich dirs nicht gesacht du sollst deinen Brif nicht freu machen weil ehr dann nicht so sicher hinaus kommt, so versprach ich ihm dises Mahl seinem Kopf zu folchen der Wilhelm ist jezt bei einem Meister er ist jezt in der Lehre seit dem 10 Juni als Zigarrenmacher welches in Amerika ein sehr gutes Geschäft ist. sein Meister libt ihn über alles weil ehr so ehrlich und so aufrichtich ist. Jezt hat der Wilhelm 2 Geschwister wir haben ein Mädchen von 16 Monat und einen gleinen Buben von 9 Tagen. Lieber Schwacher und Schwächerin werdet ihr wohl auch davon Höhren waß ihn Amerika für ein Krüch und Krüch geschrei ist, so vihle Männer traf es in Boujeepsie [=Poughkeepsie] daß sie ihre Familien verlassen mußten auch meinen Mann draf daß lohs zu gehen und zu streiten wider den Feind. Als mein Mann gegen Süten Maschirte so schrieb er mir daß ehr das vergnüchen hatte nach Dellwahre [ = Delaware, US-Bundesstaat] zu kommen und in der Eihle den Vetter Heinold geschwind aufsuchte ehr konte sich aber keine par Minuten bey ihnen aufhalten da schon wider die Eisenbahn Pfiff. Alles waß gegangen ist von Mannsleiten zu disem Krüch sie schreiben alle haim o daß wir gebliben währen wo wir wahren wir mühsten hart bühsen für unsere Neigürde die teilweise Schuld daran ist daß wir in den Krüch zochen die Menner schreiben wenn sie mahl daß Glück ereicht heten und wider zu Hauß wehren sie wollten nimahls mehr gehen auch mein Mann schrib dem Wilhelm ich Grüße dich mein Sohn und warne zugleich, dich einmahls dazu zu verstehen um Soldat zu werden. obgleich ein guter gehalt bezahlt wird, ein Soldat hat 13 Thaler [= Dollar] des Monats und eine Frau hat 12 Schilling die Woche und ein Kind hat 4 Schilling die Woche jezt ich 2 Kinder habe jezt hab ich 20 Schilling die Woche  solche Kinder wie der Wilhelm geben sie nichts weil ein solches Kind sich selbst ernehren kann, Der Bub hat die Woche 2 Thaler Lohn dafür thue ich ihn verköstichen. Jezt will ich mein Schreiben schlißen mit dem innichsten Wunsch daß die liben Großeltern noch leben möchten und Ihrem Enkel sein Bild noch sehen konnten.

Vihle Herzliche Grüße an Fuhrmann Hüfners

der Wilhelm will Euch seine Vetter und Bassen und seinen Doten Egstra [= extra] Gegrüst haben. Ich Grüse Eich alle zusammen mit dem Wunsche ein Glückliches Neües Jahr zu ehrleben.

 

Text und Transkriptionen: Margret Birk, Daniel Stihler

 

Quellen:
* StadtA Schwäb. Hall 19/346 (Gemeinderatsprotokoll 1841), Bl. 39b, 187b, 198a, 342a; 19/837 (Güterbuch 12), S. 158; 19/833 (Güterbuch 8), S. 227; 19/1023 (Kaufbuch 1943ff), Bl. 46, Bl. 126; 19/1024 (Kaufbuch 1847/48), S. 177; 31/2919 (Eventualteilung Eva Rosine Hartmann geb. Moll, 1862); 31/2950 (Realteilung des Johann Georg Hartmann, 1866); Mikrofilm KB 1393, Bd. 66 (Fam.-Reg. St. Michael), Bl. H 286
* Ancestry.com

 

Abbildung: Ansicht von Poughkeepsie vom Hudson River, aus "Harper's Weekly" vom 5. August 1865

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