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IMMIGRATION / EMIGRATION -

ABENTEUER SEIT HUNDERTEN VON JAHREN

Carl Bausch

1865 - Ende im Armenviertel von New Orleans

Aus dem Jahr 1874 findet sich eine umfangreiche Akte im Stadtarchiv, die Einblicke in die Sorgen eines Vaters für seine drei Söhne gibt.Der Rechtsanwalt Karl Ludwig Bausch hat über die Ausgaben für die Ausbildung und Ausstattung seiner Söhne ab dem 15. Lebensjahr genau Buch geführt.
Als der jüngste Sohn, Adolph, Kaufmann und in Frankfurt lebend, das Erbe seiner Eltern antreten wollte, die innerhalb von wenigen Wochen Ende 1873 gestorben waren (sein Bruder Bernhard, Apotheker in St. Louis in Amerika hatte auf alle weiteren Ansprüche verzichtet), stellte man fest, dass ein amtlicher Totenschein über das Ableben seines ältesten Bruders Carl im Juli 1865 in New Orleans fehlte. So legte Adolph alles, was er über seinen Bruder Carl in den Papieren seines Vaters finden konnte, dem Gericht vor.

Demnach studierte Carl ab 1850 zuerst an der Universität in Heidelberg, wo er sich bei einer Tante 300 Gulden lieh, diese „durchbrachte“ und den Vater seine Schulden begleichen ließ. Das Studium setzte er in Tübingen, München und wieder in Tübingen fort. Nach neun Jahren offenbar noch immer ohne Abschluss, sollte er bei der württembergischen Armee in Göppingen als späterer Militärarzt anfangen. Doch seine Kenntnisse sind noch nicht ausreichend, und er studiert weiter in Tübingen.

Das Ergebnis ist  in den Einträgen seines Vaters festgehalten: Nach einem Studienaufenthalt in Tübingen vom Januar bis August 1861 ist Carl am „21/25. Apr. 1861 durchs Examen gefallen“. Allein die Kosten für diesen kurzen Zeitabschnitt beliefen sich auf 1.263 Gulden. Danach hat sich der Sohn bis 11. Juni „Tübingen Reichenau Stuttgart herumgetrieben“.

Der nunmehr 30jährige Carl sollte nun endgültig eigene Verantwortung für sein Leben übernehmen. Also: letzte Chance Amerika! Der Vater übernahm die Kosten für Ausstattung, Überfahrt nach New York und ein Startkapital von 100 Dollar (Bankhaus Stahl und Federer). Am Abend des 7. Oktober 1861 trat der Sohn die Reise über Heilbronn und Paris nach Le Havre an, von wo aus es per Schiff weiter nach New York gehen sollte. Doch auch das ging nicht glatt. Von Kaufmann Stiefel in Frankfurt kam die „schrekl. Nachricht“, dass der missratene Sohn schon unterwegs in Homburg sein Reisegeld verspielt habe. Nun treibe er sich in Frankfurt herum, „aller Mittel entblößt“. Dies kostete den Vater mit den doppelten Reisekosten bis zur endgültigen Abreise am 24./26. November  weitere 1 700 fl.


Die Erleichterung der Eltern dürfte beträchtlich gewesen sein, als die Nachricht von der glücklichen Ankunft des Sohnes am 24. Dezember 1861 in New York schließlich in Hall eintraf.

 

"Gesamtaufwand auf Carl

[Datum]

[Bemerkungen]

[Kosten, fl = Gulden, x = Kreuzer]

[Übertrag,]

1859

24. Nov. nach Tübingen

hierüber …

 

8941 fl 49 x

1860

v. Jan. 1860 bis Dez. 1860

962 fl 41 x

 

1861

v. Janr. bis Aug. 1861

1263 fl 6 x

11167 fl 36 x

 

(21/25. Apr. 1861 durchs Examen gefallen)

 

 

 

(v. 25. Apr. bis 11. Jun. Tübingen, Reichenau u. Stuttg. herumgetrieben)

 

 

1861

7. Octbr. 1861 abends nach America abgereist.- 21. v. Kehl nach Frankf.; sein Reisgeld in Homburg verspielt, daher nochmalige Reisgeld d[urch] H[err] Mezger Röger 24/26. Nov. abgereist u. 24. Dez. 1861 in Newyork angekommen.

Ausrüstung u. doppelte Reisekosten oben

1417 fl 20 x

12584 fl 56 x

 

Heilbronn

1673 fl 28 x

 

 

Gesammtkosten

 

14258 fl 24 x

 

NB. Zum Examen in Heidelberg nahm er ohne mein Wißen bei Frau Tante Sandel ca 300 fl auf, wiewohl er sie durchbrachte & ich die Kosten bezahlen mußte.

Diesen Aufwand hat sich Carl gegen seine 2 Brüder aufrechnen zu laßen, und daher in so weit, also mit Worten mit

vierzehn tausend zwei hundert fünfzig u. acht Gulden

an seinem elterlichen Vermögen zurükzustehen, womit er sich als sich von selbst verstehend stets einverstanden erklärte. Dis ist mein Willen, welchen ich in dem Anhang unterschriftlich bekräftige daß auch für Bernhard und Adolf gleiche Verzeichnisse über ihren Aufwand vorliegen, und sie auch solchen zur Ausgleichung zu bringen haben.
.Hall, den ersten Januar Eintausend acht hundert sechzig und drei
1. Jan. 1863
Rechts Consulent Carl Ludwig Bausch"

 

Von den guten Verbindungen nach Amerika über Bekannte und Geschäftsleute  aus Hall zeugen zwei Briefe über das weitere Schicksal des Tunichtguts Carl in Amerika. Da in den USA 1861 der Bürgerkrieg zwischen den Nordstaaten und den Südstaaten ausgebrochen war, meldete sich Carl beim „175th New York Volunteer Regiment“ und wurde als Assistenzarzt in New Orleans angenommen. Der folgende Brief des A.Limburger an die besorgte Mutter wird ihr wieder Hoffnung gemacht haben, dass Carl nun doch noch seinen Platz im Leben finden würde. Wie müssen da die Eltern betroffen gewesen sein, als sie Ende August 1865ein Brief erreichte, der sie über den plötzlichen Tod des Sohnes informierte! Dieser Brief des Louis Mieg  in New Orleans, der zufällig in der Zeitung auf die Meldung vom Tod des Dr Carl Bausch gestoßen war, verrät, dass Carl ohne Freunde starb.


Dokument 1: Brief von A. Limburger aus New York am Emilie Bausch in Schwäbisch Hall vom 1. Oktober 1863


Saxonia über Hamburg / Newyork den 1. October 1863

Hochverehrliche Madam Bausch

Hoffentlich kamen Sie seiner Zeit in Besitz meines Schreibens von Sharon Springs aus, worin ich Ihnen Nachrichten über Ihren Sohn Carl gab. – Meinem Versprechen gemäß habe ich mich bei unserer Zurückkunft nach demselben hier erkundigt; er ist noch als Assistent Regiments Arzt in einem Newyorker Voluntär Regiment, ich glaube im 175 ten – durch meinen Neffen, der auch in einem Regimente diente u. auf 9 Monate blos engagirt war & direct von Neworleans zurückkam, erfuhr ich, daß Carl noch dorten ist, sich wohl befindet und wo er in Kost war. Ich schrieb daher an ihn einen gehörigen Brief und sandte denselben an einen Freund dort, bei dem er eben in Kost war und dieser Leutnant kam letzten Samstag von New Orleans hier an und berichtete mir, daß er Carl noch vor seiner Abreise gesehen, daß er ihm meinen Brief zugestellt und er ihm hoch und theuer versprochen hat zu schreiben;  er wollte ihm sogar etwas Geld mitgeben, das ich für ihn bis zu seiner Zurückkehr verwahren sollte, allein er wurde plötzlich zu seinem Regiment nach Baton Rouge am Missippifluß beordert, mußte sich noch ein Pferd kaufen. Hat daher weder geschrieben noch das Geld hierher geschickt. Es geht ihm übrigens ganz gut: er ist wohl und gesund, hat einen guten Gehalt, mit dem er freilich nicht sehr sparsam umgehen soll u. hat Aussicht Ober Arzt im Regimente mit Major’s Rang zu werden mit einem monatlichen Gehalte von 175 Dollars.Sie können daher in Betreff seiner ganz ruhig sein, er wird ohne Zweifel sich eine ehrenhafte Stellung erringen auch wenn der Krieg vorrüber ist.. Auf Briefe oder regelmäßige Correspondenz können Sie sich solange er im Feld ist, nicht verlassen. Ich werde mich jedoch von Zeit zu Zeit nach ihm erkundigen  u. wenn Sie es wünschen Ihnen öfters Nachricht geben. Empfehlen Sie mich jetzt Ihrem Hrn Gemahl sowie Ihrem anderen Sohn bestens und empfangen Sie selbst die Versicherung meiner Hochachtung
Ihr ergebener
A. Limburger

 

Dokument 2: Brief von Louis Mieg in New Orleans an Carl Ludwig Bausch in Schwäbisch Hall vom 29. Juli 1865

 

Zeitungsausschnitt: dem Brief beigeheftet]
Coroner Dr.Geiser hielt mehrere Untersuchungen, von denen Folgende erwähnenswerth sind: eine Leichenschau in No. 24 Basinstraße über den Körper einer Mary Malony, die in Folge eines Sonnenstichs in ihrem 45. Jahr starb; eine andere über die Leiche des Dr. Bausch Unterarzt in der Ver. Staaten Armee, in No. 175 Rampartstraße. Verdict: starb in Folge von Epilepsie.

New Orleans, 29 ten  Juli 1865
Geehrter Herr Bausch!
Es liegt mir die traurige Pflicht ob, Sie unverzüglich von nachstehendem schrecklichem Vorfall in Kenntniß zu sezen.
Als ich gestern früh die Zeitung las, fand ich zu meinem Erstaunen inliegenden Ausschnitt darin welcher den plötzlichen Tod Carls anzeigte. Ich begab mich augenblicklich nach seinem Hause, welches ein kleines unansehliches Kosthaus u. Kaffeehaus in genannter Straße ist, u. erkundigte mich was aus Carl geworden ist. Die Frau sagte mir, daß Carl lezten Montag den 24th July Mittags dahin kam um sein Mittagsmal einzunehmen, vor demselben jedoch mit zwei anderen Männern in die Wirtsstube kam, um eine Erfrischung einzunehmen u. denselben Moment als er im Begriff stand diß zu tun, fiel er plötzlich um, u. verlor augenblicklich das Bewußtsein nach wenigen Stunden verschied er schon. Wie es mir schien, ließ man ihm gar keine ärztliche Hilfe angedeihen denn die Antworten auf meine Fragen sagten nichts davon und die Umgebung von den zwei Männern welche sich als Freunde Carls ausgaben, gefielen mir durchaus nicht. Dieselben verließen ihn als er den Anfall bekam u. waren selbst  zu bequem, ihm nur auch die lezte Ehre zu erweisen. Die Beerdigung muß meiner Erkundigung gemäß durch den Quartiermeister geschehen sein, u. zwar von jenem Hause aus.  Er war dort einige Wochen in Kost, u. muß dort bekannt gewesen sein; Gefühl mag bei denselben jedoch keines vorhanden gewesen sein, indem sie ihm die lezte Ehre nicht einmal angedeihen ließen. Carl besuchte mich nie mehr aus welchem Grunde weiß ich nicht, deshalb wußte ich gar nicht wo er sich aufhielt, ich konnte deshalb keine Nachrichten von ihm erhalten u. jene Leute mit denen er Umgang pflegte, sind mir selbst fremd. Ferner wurde mir gesagt, daß ein gewisser Dr, Staiger, auch an Sie schreiben will, und Sie um eine Vollmacht zu ersuchen, um den rückständigen Sold zu erlangen, welcher sich noch auf einige Hundert Dollar beläuft, um seine rückständigen Schulden zu decken von diesem Mann rathe ich Ihnen jedoch ab, indem er seiner großen Liederlichkeit halber überall bekannt ist. Wenn Sie solche Schritte thun wollen so wird wohl der Consul der passendste Mann dafür sein. Ich werde nächsten Sonntag an meine Eltern schreiben u. Ihnen weiteres mitsenden.
Indem ich nun u. meine Frau sowohl wie Ihrer werthen Gemahlin für Ihren unglücklichen Sohn zutiefst Sympathie und Beileid ausdrücke, grüßen wir Sie
aufs Achtungsvollste
Ihr ergebener
Louis Mieg
P.O. N 1461

Entschuldigen Sie meine Schreiberei denn sie geschah in größter Eile

 

Text und Transkriptionen: Margret Birk

 

Quellen:

* Stadtarchiv Schäbisch Hall 18/3530

Abbildungen:

* Ansicht von New Orleans, aus: Harper's Weekly v. 5.10.1862 (University of Cincinnati Libraries)

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